Vortrag von Frau Renate Höppner

Auch im Jahr 2016 hat Frau Höppner über das Leben in der DDR und über die Zeit der Wiedervereinigung referiert. In der Reihe des „Diltheyforums“ fand dieser Vortrag an einem statt.

Frau Höppner wurde 1953 in Erfurt geboren und studierte in Leipzig und Berlin Theologie. Sie begleitete ihren Mann, Reinhard Höppner, als er Vizepräsident der letzten Volkskammer der DDR und 1990 Oppositionsführer in Sachsen-Anhalt wurde. Wie auch zwei Jahre zuvor, stellte Frau Höppner diese aufregende Zeit unterhaltsam dar und schmückte ihren Vortrag mit Auszügen aus dem Buch ihres Mannes „Wunder muss man ausprobieren“ aus.

Die Frage „Wie war das Leben in der ehemaligen DDR“ wurde durch viele Geschichten beantwortet. Lebendig wurde über die Anfangsphase der Teilung der beiden deutschen Staaten berichtet, in der sich die Blockparteien gründeten. Ebenso war die Ungerechtigkeit Thema, die Kindern widerfuhr, die nicht Mitglied in der FDJ oder unangepasst waren. Anhand des Werdegangs ihres Mannes zeigte sie aber ebenso Lösungsmöglichkeiten auf, wie man trotz „Aufsässigkeit“ beruflich weiterkommen konnte. Offen thematisierte Frau Höppner die Probleme der jungen DDR, die durch die Flucht von DDR-Bürgern entstand, da diese Flüchtlinge meist aus der Intelligenzschicht und der Mittelschicht stammten. So erzählte sie, wie ganze Stationen in Krankenhäusern plötzlich leer waren. Für die Regierung der DDR bedeutete dies in der Konsequenz, dass sie ihre eigenen Landsleute einsperren musste. Dies geschah durch den Mauerbau, der die Grenze undurchlässig und die Ausreise lebensgefährlich machte. Eine Ausreise in die Bundesrepublik wurde für DDR-Bürger, die über 65 Jahre alt waren, erst 1965/66 wieder möglich. Anschließend stellte Frau Höppner die Gleichberechtigung von Mann und Frau heraus. Im Gegensatz zum Westen habe die Gleichberechtigung in der DDR schon früh begonnen. Frauen arbeiteten auch mit Kind, dafür standen viele Krippen zur Verfügung. Sie betonte aber auch das Ziel der Regierung, die Kinder frühzeitig sozialistisch erziehen zu können.

Beispiele politischen Widerstands machten den Vortrag besonders spannend: Am 19. März 1970 kam Willy Brandt in Erfurt am Bahnhof an. Drei Tage zuvor wurde der doch sehr marode Bahnhof erneuert und gestrichen. Anschließend konnte man im Theater ein Stück bewundern, das einen Schauspieler sagen lies:“ Der Bahnhof wird neu gemacht“. Bereits diese Aussage galt als politischer Widerstand. Ebenfalls in den 70er Jahren schenkte die UdSSR der UNO ein Denkmal, ein Schwert in Pflugscharen. Dies wurde zum Symbol des Friedens. Da alles, was auf Papier gedruckt wurde in der DDR eine Druckerlaubnis benötigte, stellte man dieses Symbol des Friedens auf Stoff dar und heftete es an seinen Pullover. Als auch dies verboten wurde, schnitt man sich ein Loch an die Stelle des Symbols. Dies konnte nicht verboten werden, dennoch wusste jeder, was es bedeutet.

Weiter berichtete frau Höppner aus ihren Erinnerungen über den schlechten Versorgungsstand in öffentlichen Bereichen, der Milliardenkredite erforderlich machte, um Schulen zu heizen oder Kliniken wieder mit Verbandsmaterial ausstatten zu können.

Auch die Umweltverschmutzung der 80ger Jahre in der DDR wurde angesprochen: Aufgrund der großen Braunkohlewerke und des Trabbis, der als Zwei-Takter mit einem Benzin-Öl-Gemisch fuhr, konnte man in verschiedenen Gegenden nicht barfuß gehen, da sonst der Dreck an den Füßen kaum noch abwaschbar war.

Ebenso spannend erzählte Frau Höppner ein Erlebnis aus ihrem Urlaub, in welchem ein einfacher Paddelausflug zu einer kurzzeitigen Verhaftung führte. Danach gab Frau Höppner einen Einblick in die Zeit des Umschwungs.

Im September 1987 planten verschiedene Gruppen einen dreitägigen Friedensmarsch durch die DDR, da trotz der finanziell schwierigen Situation in den Wäldern um Magdeburg und Dresden sehr viele Waffen lagerten. Jeden Tag marschierten 300 Menschen mit einem Plakat etwa 35 km. An einem Wegstück kamen der Gruppe Panzer entgegen. Trotz der offensichtlichen Demonstration wichen diese jedoch den unbewaffneten Demonstranten aus.

Anhand einer Begegnung mit einem hohen Genossen Günther Jahn anfang des Jahres 1989 zeigte Frau Höppner auf, dass dieser schon frühzeitig nicht mehr an eine erfolgreiche DDR glaubte. Auf die Frage, was die Alternative zur DDR sei meinte dieser, dass nur eine Wiedervereinigung mit der BRD in Frage käme.

Bereits in den 80er Jahre fanden friedliche Demonstrationen durch Friedensgebete statt, an welchen manchmal nur wenige Menschen teilnahmen. Am 9. Oktober 1989 folgten jedoch 4 000-5 000 Menschen diesen Friedensgebeten in Magdeburg, die von der Familie Höppner abgehalten wurden und 70 000 Menschen demonstrierten in Leipzig. Diese Demonstration wurde von einem mutigen Reporter aufgenommen, der die DDR-Spitzel austrickste. Kerzen galten bei der Demonstration als das Symbol von Gewaltlosigkeit. Dennoch hätten die gewaltlosen Demonstrationen blutig enden können. Hier nannte Frau Höppner das Beispiel eines jungen Mannes der öffentlich betete, dass er seinem Vater in dieser Nacht nicht begegnen möchte, da dieser als Volkspolizist genötigt sei, auf ihn zu schießen.

Als die Grenze schließlich am 9. November 1989, nach der Ankündigung eines sofort in Kraft tretenden Reisegesetzes, das durch den Pressesprecher des SED-Politbüros Schabowski verkündet und dann geöffnet wurde, sind Menschen der DDR über die Grenze gefahren, nur um dies einmal auszuprobieren. Frau Höppner erzählte dabei lebendig, wie eine Nachbarin ihre Tochter in ihr Auto packte, nur um direkt nach Grenzübertretung wieder umzukehren.

Im weiteren Verlauf der Ereignisse änderte sich der Slogan „Wir sind das Volk“ in „Wir sind ein Volk“. Die Volkskammer konnte nicht mehr regieren und ein runder Tisch wurde eingerichtet. Die DDR wurde komplett umstrukturiert, da alles zuvor „von Oben“ zugeteilt wurde. So gab es keine kommunale Selbstverwaltung, die politischen Gefangenen mussten freigelassen und das Schulsystem angepasst werden. Am 1. Juli 1990 wurde mit der Wirtschafts- und Währungsunion die DM eingeführt, der Umtausch erfolgte im Verhältnis 1:2 und die Kaufhallen wurden über Nacht wie im Westen eingeräumt, so dass es erst einmal eine Weile brauchte, um sich wieder zurecht zu finden. Die Wiedervereinigung wurde von DDR-Seite auf den 3. Oktober 1990 festgelegt, da dieser Tag politisch unbedenklich schien: Die 2+4 Verhandlungen wurden noch einmal am 2. und 3. Oktober abgehalten und das Datum sollte vor dem 7. Oktober liegen.

Hier wurden Wunder ausprobiert. Damit ging der Vortrag von Frau Höppner an diesem Abend zu Ende. Die Schülerinnen und Schüler aus der Oberstufe und andere Interessierte hatten den Umbruch der DDR damit hautnah erlebt. Diese bedankten sich mit einem Blumenstrauß bei Frau Höppner.

Anja Surges