Pygmalion – ein begnadeter Künstler oder ein Bildhauer, der durch das Nicht-Einhalten der Abstandsregeln wahnsinnig wird?

Im Lateinunterricht der Klasse 10a hatten wir gerade zwei Stunden lang Ovids Geschichte von Pygmalion bearbeitet, als uns die Schulschließung am Freitag, den 13. März, einen Strich durch die Rechnung machte. Nun ging es nicht mehr lebendig im Austausch weiter, aktive Diskussionen über den weiteren Verlauf der Handlung fanden erst einmal nicht in der gewohnten Form statt.

„Homeschooling“ hieß das neue Zauberwort. Aufträge zu Wortschatzarbeit oder Grammatik, die weitere Textarbeit mit Übersetzen und Interpretationen wurden selbstständig, manchmal auch zu zweit (oder online gar zu vielen, wer weiß das schon?), am heimischen Schreibtisch erledigt und anschließend über die liebgewonnene Plattform Moodle hochgeladen.

Die Schulschließung dauerte so lange, dass wir schließlich den gesamten Mythos abschließen konnten. Den Abschluss bildete eine kreative Aufgabe über zwei Wochen. Wahlweise entschieden sich die Schülerinnen und Schüler für eine etwas andere Auseinandersetzung mit einer Geschichte, die Anlass zum Diskutieren bietet.

Worum geht es eigentlich bei Pygmalion?

Pygmalion, ein Bildhauer, ist von den Frauen in seinem Umfeld enttäuscht. Sie halten sich nicht an die moralischen Regeln, sie benehmen sich nicht so, wie Pygmalion es erwartet. Als Konsequenz zieht er sich vollständig von den Frauen zurück und lebt ehelos, alleine, zurückgezogen. Aber tief im Herzen wünscht er sich dennoch eine Gefährtin. Und so schafft er sich eine Statue, die allen Idealen seiner Traumfrau entspricht. Diese Statue ist so schön, dass er sie täglich umarmt und liebkost. Abstand einhalten – für ihn ein Fremdwort. Er ist seinem Kunstwerk in jeder Hinsicht so nahe, dass er sich in sein Kunstwerk verliebt. Schon bald nimmt er es als ein lebendiges Wesen wahr. Schließlich, an einem Festtag zu Ehren der Göttin Venus, äußert Pygmalion den Wunsch, seine Statue möge doch mit Leben erfüllt werden. Venus erfüllt ihm diesen Wunsch. Pygmalion und seine lebendig gewordene Statue führen von nun an ein erfülltes Leben als Paar.

Soweit die Geschichte in aller Kürze. Das Grundmotiv hat viele Künstler inspiriert. „My fair Lady“ basiert auf dieser Geschichte, E.T.A. Hoffmanns Sandmann nimmt Bezug auf ihre Grundmotive und ebenfalls J. Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“. Viele weitere Beispiele könnten darüber hinaus noch genannt werden. Unzählige Gemälde lassen sich im World Wide Web finden.

Die Schülerinnen und Schüler der 10 a hatten nun die Wahl, sich für ein Gemälde zu entscheiden und eine Bildbetrachtung zu schreiben. Oder sie konnten einen fiktiven Dialog schreiben, in dem sich zwei Personen über Pygmalion austauschen. Oder sie konnten eine Zeitungsseite zu dieser Geschichte gestalten. Oder sie konnten eine Collage erstellen, die einen kleinen Eindruck vermittelt, wie der antike Stoff in späteren Zeiten weiterverarbeitet worden ist.

Einige Arbeiten, die entstanden sind, halte ich für herausragend. Sie zeugen von der großen Kreativität der Schülerinnen und Schüler, von der Freude, die sie beim Erledigen dieser Aufgabe hatten und haben mein Lateinlehrerinnen-Herz erfreut!

Schauen Sie / schaut selbst, was sogar in so bizarren Wochen wie gerade alles an Schönem entstehen kann!

Dagmar Thimme, Lateinlehrerin der Klasse 10a