Mami streamt - Videokonferenzen während der Pandemie

Wieder einmal sitze ich vor meinem Bildschirm, das Herz hämmert, die Hände zittern leicht. Ich prüfe die Kamera: Wie sehe ich aus? Gegen mein wucherndes Haar kann ich nicht viel tun, der dritte Friseurtermin in Folge ist ungenutzt verstrichen, einen Haarschnitt gibt’s vielleicht erst wieder Ostern. Wenigstens muss ich hier keine Maske tragen…

Nun teilt mir das moodle mit, dass das Meeting begonnen hat. Hektisch klicke ich die Icons an, Echotest, Mikro an, Kamera an… „Guten Morgen! Schön, dass ihr da seid! Wie geht’s euch?“

Seit ein paar Wochen veranstalte ich nun regelmäßig Videokonferenzen, die im ersten Lockdown noch die Ausnahme darstellten. Langsam mache ich mich mit allen „Tools“ vertraut, die das Medium so bietet. Bei jeder Sitzung lerne ich dazu, zum Beispiel, dass ich vor dem wilden Herumprobieren am besten meine Kamera und das Mikro ausschalte, damit ich nicht unfreiwillig noch eine Comedy- Einlage biete.

Ich bin nämlich, ich muss es gestehen, so gar nicht computeraffin. Ich komme aus der analogen Steinzeit, der Kreidezeit, wenn man so will. Auch die Hilfe in diesen Dingen macht sich rar – glücklicherweise gibt es einige liebe Kolleg/innen, die mich weiterbringen, wenn ich mal wieder nichts verstehe.

Aber auch für die Kinder ist es nicht leicht. „Lolas Mikro funktioniert nicht“ , werde ich per Chat informiert. (Die Namen der Kinder sind geändert). Als sich Mehmet zu Wort meldet, klingt es wie ein Funkspruch der Alliierten, 1942 über dem Atlantik abgehört. Ich verstehe kein Wort, das Knistern tut in den Ohren weh. Einige ziehen es vor, der Veranstaltung von Anfang an als Zuhörer beizuwohnen, und sie lassen ihr Mikro ausgeschaltet, auch wenn das nicht der eigentliche Sinn von Unterricht ist. Ich bin sicher, wenn wir uns irgendwann mal im Klassenraum wiedersehen, wünschen sich einige, dass es diese Möglichkeit auch dort gäbe.
 Einmal schalte ich bei der virtuellen Tafel den „Mehrbenutzermodus“ an, und eine Sekunde später kritzeln 27 wildgewordene Kinder begeistert alles voll. Ein Glück, dass das im Klassenraum nicht geht, sonst hätten sie mich glatt umgerannt!

 

Also, wir alle müssen uns an den Fernunterricht erst gewöhnen. „Mami streamt jetzt“ raunen meine eigenen Kinder anerkennend, wenn ich die Arbeitszimmertür zumache und mich in Positur setze. Das tut mir gut. Sollte ich auf meine alten Tage noch Influencerin werden?

Claudia Oedekoven