Wir fuhren nach Berlin
Wir freuten uns, als wir am frühen Morgen des 22.10.2007 frierend am 2. Ring standen und scheinbar ewig warteten. Wir freuten uns auf die Woche, die vor uns lag und über die Tatsache, dass wir nicht zu den Schülern gehörten, die nach zwei Wochen Herbstferien lustlos an uns vorbei zur Schule zogen.
Nachdem wir uns aus der Kälte in die beiden Busse der Reisegesellschaften Zugvogel und Luzifer gerettet hatten, begann eine ereignislose, doch unterhaltsame Fahrt durch blühende Landschaften. Schließlich erreichten wir Berlin und lernten bereits auf der Fahrt zu unserem Hotel, was sich im Laufe der Fahrt immer wieder bestätigen sollte: Berlin ist nicht einfach nur eine Großstadt, sondern in jeglicher Hinsicht der Inbegriff von Vielfalt.
In unserem Hotel, dem berlincity, angekommen, hatten wir zuerst einige Mühe, uns in den kafkaesken Gängen zurechtzufinden, bevor wir das Begrüßungszeremoniell hinter uns brachten, unsere Zimmer bezogen und die ersten Eindrücke vom nächtlichen Berlin sammelten.
Am nächsten Morgen stand uns eine Stadtrundfahrt bevor, die uns zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten führte. Wir fuhren über den Kurfürstendamm, passierten den Potsdamer Platz und stiegen am Checkpoint Charlie aus, um festzustellen, dass es nicht mehr viel zu sehen gab: anstelle des Grenzpostens mit Sperren und Stacheldraht nun eine Disneyland-Attrappe. Wir setzten unsere Fahrt fort über den Alexanderplatz, den Gendarmenmarkt und Berlins ehemalige Prachtstraße Unter den Linden. Wir durchquerten aber nicht nur Berlin; alle wichtigen Epochen der jüngeren deutschen Geschichte lagen links und rechts an unserm Weg. Zurück im Hotel erwartete uns die über 80jährige Zeitzeugin Helga Luther, die sich als überraschend lebhaft erwies. Jedenfalls waren ihrer geistigen Präsens nicht alle Mitschüler gewachsen. Sie berichtete eindrucksvoll von ihrer Verhaftung durch die Gestapo und von ihrer Zeit im KZ Ravensbrück.
Während am nächsten Tag es einigen vergönnt war, sich in den Gärten der Schlösser Sanssouci und Cecilienhof zu verlustieren , erfuhren wir im ehemaligen Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, dass wir "in der falschen Gesellschaftsordnung" leben - und dass wir uns dessen glücklich schätzen können. Nach der anschließenden Mittagspause, die wir nutzten, um uns den Bauch mit Donuts vollzuschlagen, erzählte uns der Zeitzeuge Henri Bergemann in unwiderstehlichem Berliner Dialekt lustige Anekdoten aus der Zeit der Berliner Teilung.
Weniger beglückend war leider die abendliche "Werther"-Vorstellung im Maxim-Gorki-Theater. Andere hatten offensichtlich mehr Glück: Enthusiastisch war die Resonanz auf Aischylos‘ "Perser" im Deutschen Theater und auf Rattles Mahler-Interpretation in der Philharmonie, - einer imposanten Hütte, die allerdings Spätbuchern und Schnäppchenjägern keinen Zutritt gewährt.
Der nächste Tag begann zunächst mit einem Lichtblick - der Wiesbadener Bundestagsabgeordneten Kristina Köhler. Sie gestattete uns Einblicke in ihren Politiker-Alltag. Anschließend durften wir 60 Minuten einer Bundestagsdebatte folgen, die, abgesehen von Wortgefechten, wenig Spannung bot.
Ein wenig südhessisches Lokalkolorit brachte Frau Wiezcorek-Zeul in das Programm. Sie empfing – leicht verspätet - eine unserer Gruppen in ihrem Ministerium zu einer Diskussion über aktuelle Probleme der Entwicklungspolitik. Auf geteiltes Echo stieß später die Führung durch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand.
Gezeichnet von der vorangegangenen Nacht wurden wir am nächsten Morgen durch das historische Berlin geführt: Das stärkste Interesse fand die Spurensuche im ehemaligen Regierungsviertel in der alten Wilhelmstraße: Reichspräsidentenpalais, Auswärtiges Amt, Reichskanzlei, "Führerbunker", Propagandaministerium etc. Letzter Programmpunkt war das Pergamonmuseum! Diesmal war nicht die Führung, sondern die Bedeutung ihres Gegenstandes unter den Autoren umstritten. Der letzte Abend in Berlin klang, wie man es sich von einer Studienfahrt verspricht, bunt aus. Abgesehen von dem Fehltritt eines Mitschülers (gegen eine Zimmertür im Hotel) waren die 5 Tage und Nächte ein gelungenes Fest.
(Fabian Betz & Fabian Schulz-Luckenbach)