Vortrag von Pfrn. Renate Höppner
über das Leben in der DDR und
über die Zeit der Wiedervereinigung

"Jetzt hatte man das Gefühl Geschichte erlebt zu haben" so eröffnete Frau Höppner ihren kurzweiligen Vortrag am 23. Januar 2014 über das Leben in der DDR und über die Zeit der Wiedervereinigung. Mehrere Jahre begleitete die Pfarrerin, die 1953 in Erfurt geboren wurde und in Leipzig und Berlin Theologie studierte, ihren Mann Reinhard Höppner während seiner politischen Arbeit. Reinhard Höppner war Vizepräsident der letzten Volkskammer der DDR und ragte durch seine Fähigkeit heraus, zwischen den Parteien zu vermitteln. 1990 wurde er Oppositionsführer in Sachsen-Anhalt und 1994 Ministerpräsident der rot-grünen Minderheitsregierung. Unterhaltsam stellte Frau Höppner diese aufregende Zeit dar und schmückte ihren Vortrag mit Auszügen aus seinem Buch "Wunder muss man ausprobieren".

Die Frage "Was ist die DDR gewesen?" führte wie ein roter Faden durch diesen Nachmittag. Lebendig wurde über die sozialistische Orientierung der DDR und ihrer Nachbarstaaten, die Energieengpässe, die Parteienlandschaft der fünf kleinen Blockparteien und die unzureichenden Kommunikationsmittel berichtet. Diese Telefonknappheit schuf jedoch auf der anderen Seite ein hohes Maß an Verbindlichkeit. So wurden Verabredungen telefonisch einmalig getroffen und auch ein Jahr später noch eingelöst. Ebenso sei das "Wir-Gefühl" der Jugendlichen der DDR durchaus häufiger anzutreffen, wohingegen bei "West- Jugendlichen" das "Ich-Gefühl" häufig überwog, so Frau Höppner. Offen thematisierte Frau Höppner die Arbeit der Staatssicherheit und deren sehr unterschiedlichen Auswirkungen für die in der DDR lebenden Menschen. Ebenso war, laut Frau Höppner, die "Republiktreue" sehr stark von den einzelnen Persönlichkeiten abhängig.

Beispiele politischen Widerstands machten den Vortrag besonders spannend: Bereits in den 70ger Jahren schenkte die UdSSR der UNO ein Denkmal, ein Schwert in Pflugscharen. Dies wurde zum Symbol des Friedens. Da alles, was auf Papier gedruckt wurde in der DDR eine Druckerlaubnis benötigte, stellte man dieses Symbol des Friedens auf Stoff dar und heftete es an seinen Pullover. Als auch dies verboten wurde, schnitt man sich ein Loch an die Stelle des Symbols. Dies konnte nicht verboten werden, dennoch wusste jeder, was es bedeutet.

Sie selbst musste sich ebenfalls vor der Staatssicherheit rechtfertigen, als sie als junge Pfarrerin in einen Gottesdienst einlud mit einem Zitat "mit meinem Gott über Mauern springen".

Zu Beginn der 80ger Jahre fanden friedliche Demonstrationen durch Friedensgebete statt, an welchen manchmal nur wenige Menschen teilnahmen. Am 9. Oktober 1989 folgten jedoch 4000-5000 Menschen diesen Friedensgebeten in Magdeburg, die von der Familie Höppner abgehalten wurden. Kerzen galten hier als das Symbol von Gewaltlosigkeit. Dennoch hätten die gewaltlosen Demonstrationen blutig enden können. Hier nannte Frau Höppner das Beispiel eines jungen Mannes der öffentlich betete, dass er seinem Vater in dieser Nacht nicht begegnen möchte, da dieser als Volkspolizist genötigt sei, auf ihn zu schießen.

Als die Grenze schließlich am 9. November, nach der Ankündigung eines sofort in Kraft tretenden Reisegesetzes, das durch den Pressesprecher des SED-Politbüros Schabowski verkündet und dann geöffnet wurde, sind Menschen der DDR über die Grenze gefahren, nur um dies einmal auszuprobieren. Frau Höppner erzählte dabei lebendig, wie eine Nachbarin ihre Familie in ihr Auto packte, nur um direkt nach Grenzübertretung wieder umzukehren.

Im weiteren Verlauf der Ereignisse änderte sich der Slogan "Wir sind das Volk" in "Wir sind ein Volk". Doch die Wiedervereinigung wird von Höppners kritisch beurteilt, da sie die Schwierigkeiten einer schnellen Anpassung an den "Westen" vorhersahen. Ausbildungen und Renten mussten angepasst werden. Der Umtausch der Ost-Mark wäre realistisch 1:7 gewesen, wurde aber auf 1:2 festgelegt, so dass auch hier Probleme entstanden. Die Wiedervereinigung wurde von DDR-Seite auf den 3. Oktober 1990 festgelegt, da dieser Tag politisch unbedenklich schien. Dennoch war es eine rasante Zeit der Veränderungen. Dies machte Frau Höppner an dem Beispiel deutlich, dass ein Botschafter in England, der lange nicht in der DDR war, nicht wusste, welches Land er vertrat.

Ebenso rasant ging dieser Nachmittag zu Ende und Frau Höppner hinterließ beeindruckte Schüler und Schülerinnen der Q3-Phase, die ein spannendes und nahegehendes Zeitzeugengespräch erlebt hatten.

Anja Surges